Dienstag

Der Rattentempel von Deschnoke


Unsere letzte Station in Rajasthan haben wir eher unfreiwillig eingelegt. Von Jaisalmer wollten wir so schnell wie möglich nach Varanasi, die heilige Stadt am Ganges. Leider hatte der Direktzug (17 Stunden) keine Plätze im Schlafabteil mehr frei und der Flug von Jodphur aus hätte uns 200 Euro gekostet. Für indische Verhältnisse ist das ein sündhaftteurer Flug. Deswegen haben wir in Jaisalmer den Nachtbus genommen und sind sieben Stunden nach Bikaner gefahren. Bikaner hat ebenfalls wieder eine Burg und einen Palast, die wir dieses Mal aber zugunsten eines Tempels links liegen haben lassen. In einem kleinen Ort in der Nähe von Bikaner gibt es nämlich einen Tempel, der Ratten gewidmet ist. Das verschlafene Nest heißt Deschnoke und dort glauben die Einwohner, dass sie nach ihrem Tod Ratten werden und das Ratten nach dem Tod Einwohner von Deschnoke werden.


Als uns klar wurde, dass wir nur über Bikaner nach Varanasi kommen können habe ich mal in die Runde geworfen, dass wir ja diesen Tempel besuchen könnten. Lisa, Evelyn und Kjersti haben zu diesem Zeitpunkt jedoch noch nicht die gleiche Begeisterung für einen Tempel voller Ratten aufbringen können. Nunja, steter Tropfen höhlt den Stein. Der Rattentempel wurde noch ein bis zwei Mal besprochen und plötzlich saßen wir in Bikaner im local train nach Deschnoke. Die Mädls hatten sich jeweils dicke Socken eingepackt, um die möglichen „Segnungen“ (in Deschnoke ist es ein Segen, wenn einem eine Ratte über den Fuß läuft) ertragen zu können.

Mit Evelyn und Kjersti vor dem Tempel - noch ohne Ratten

Am Eingang wird's einem noch einmal deutlich gezeigt: Hier geben Ratten den Ton an!


Vor Ort war dann aber alles nur halb so schlimm wie befürchtet, da die Ratten nicht zu der indischen Sorte gehörten, die zur Gigantomanie neigt und sich zum anderen die Anzahl der Ratten in einem halbwegs erträglichen Maß bewegt hat. Wir konnten vor Ort also Unmengen von Ratten bestaunen und in einem kleinen Museum etwas mehr über die Göttin des Tempels erfahren. Nach 28 Monaten Schwangerschaft wurde die Göttin geboren und hat in ihre Leben unter anderem mehrfach Menschen nach Kobrabissen das Leben gerettet, ein Holzbein für ein Kamel gebaut und während dem melken einer Kuh mit einem „atomic power“-Strahl (wörtliches Zitat unseres Guides) einen Mann in einem weit entfernten Meer das Leben gerettet, 250 Männer mit 25 Chapati ernährt (die Geschichte klingt bekannt) und ihren Sohn wieder zum Leben erweckt. Nach diesen Ausführungen erschien es mir mehr als angebracht dieser Frau einen Tempel zu errichten und ich habe den Museumsguide zu seiner direkten Abstammung von dieser Göttin herzlich gratuliert. Über die Parallelen zur Bibel mussten wir alle ziemlich schmunzeln.


Lisa noch ganz skeptisch

Ziegenmilch für die heiligen Ratten

Und keinen Schritt näher





Evelyn auf dem Weg zum Altar

Der Altar des Rattentempels







Kjesrti hat dann beim mittäglichen Thali das Ganze auf den Punkt gebracht. Da dieser Glauben jünger als 500 Jahre ist hätte doch zumindest einer in Deschnoke sagen müssen „Wait a minute, that doesn’t make sense at all…“. Wo man allerdings die Linie zieht und sagt, dass die Grenze zum Absurden überschritten wurde ist nicht ganz einfach. Wenn Jonas im Walbauch, Maria als Jungfrau und Jesus auf dem Wasser legitime Geschichten in unserer Kultur sind, dann muss ich mich wohl auch mit einer Frau, die Holzbeine für Kamele schnitzt anfreunden.

Auf der Rückfahrt von Deschnoke nach Bikaner war der Zug so überfüllt, dass wir einfach auf die Gepäckablage geklettert sind und uns es dort gemütlich gemacht haben. Indien pur. 

May I take a  picture? - AGAIN!?

Evelyn macht sich's gemütlich

Wir zusammen mit Kjersti

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